Der 22. Signal+Draht-Kongress fand dieses Jahr am 17.und 18. November als „Hybridveranstaltung“ statt und hatte den Themenschwerpunkt „Neues Zusammenspiel von Fahrzeug und Strecke“ im Fokus. Fachexperten von Behörden, Lieferfirmen, technischen Beratungsfirmen und aus Eisenbahnverkehrs- sowie Eisenbahninfrastrukturunternehmen teilten ihr Wissen in zahlreichen spannenden Vorträgen.
Einige Highlights werden wir im Nachfolgenden kurz vorstellen.
Pilot Digitaler Knoten Stuttgart
Die nachträgliche digitale Ausrüstung von bestehenden Fahrzeugen ist aufgrund der Inhomogenität in der Fahrzeugflotte herausfordernd. Die Ausgestaltung einer passgenauen generischen Lösung „out of the box“ ist nicht möglich. Eine Nachrüstung in bestehende Fahrzeuge ist in etwa doppelt so aufwändig als eine Ausrüstung ab Werk.
Viel Potential bzgl. Kapazitätssteigerung etwa steckt im Feintuning der Fahrzeugparameter.
Die Klimaziele in Europa erfordern umfassende Maßnahmen im Eisenbahnsektor. Es gilt Fahrgastzahlen zu verdoppeln, die Sicherheit zu steigern und zugleich den CO2-Ausstoß zu halbieren. Mit der alleinigen Bereitstellung von finanziellen Mittel sind diese Herausforderung nicht bewältigbar. Der notwendige Ausbau von Infrastruktur und Fahrzeugen würde eine sprungartige Steigerung der Produktionskapazitäten sowie der Anzahl an Fachkräften innerhalb der Lieferindustrie voraussetzen.
Beides ist nur bedingt in gefordertem Tempo erreichbar. Laut Vertreter der Lieferindustrie würden europaweit einheitliche Lösungen mit wenig Kundenspezifika sowie eine Beschränkung auf den minimal erforderlichen Ausrüstungsumfang, helfen. Die Koordination dazu erfordere jedenfalls eine zentrale Stelle.
Praxiserfahrungen mit ATO over ETCS bei der S-Bahn Hamburghen für ETCS sind gestellt
Auf der Hamburger S-Bahn gelang es innerhalb von nur 3 Jahren Projektlaufzeit in einem Pilotprojekt die Anwendbarkeit von ATO over ETCS (GoA2) in zwei Bahnhöfen zu zeigen. Es wurden zwei Anwendungsfälle realisiert: Erstens wurde eine hochautomatisierte Zugfahrt, bei der jedenfalls noch ein Triebfahrzeugführer in überwachender Rolle an Board ist, realisiert. Zweitens wurde an der Streckengrenze ein System zur vollautomatisierten Rangierfahrt (führerlos) geschaffen.

Das Regionalbahnkonzept der ÖBB
Auch die berühmte „Last Mile“ darf bei der Ausrüstung der digitalen LST nicht ausgelassen werden. In Österreich sind das 38 Regionalbahnstrecken mir einer Streckenlänge von ca. 1.300 km sowie unzähligen Eisenbahnkreuzungen. Ziel des Vorhabens ist, im ersten Schritt einen Ausrüstungsstandard zur Ausrollung auf den Regionalbahnstrecken zu entwickeln.
Bei der Auswahl der passgenauen Technologie halfen „Technologiesteckbriefe“. Bewertet wurde anhand der Kriterien Reifegrad, Lebenszykluskosten, Konformität zu Vorgaben, Vereinbarkeit mit betr. Prozessen und Integrierbarkeit. Zusammenfassend bestehen die technischen Kernelemente des Ausrüstungsstandards aus ETCS L2 only inklusive Anwendung eines innovativen Verschub-Konzepts zur weiteren Reduzierung der Außenlichtsignalisierung. Der entwickelte Standard passt in die bestehende Rahmenstrategie der ÖBB und erfüllt die geforderte betriebliche und technische Passgenauigkeit.
Die Digitale Automatische Kupplung und ihre Wechselwirkungen mit der LST
Die Smart Mobility Strategie der EU sieht eine Steigerung des Schienengütertransportes um mind. 50% vor. Dazu ist eine enorme Effizienzsteigerung in diesem Sektor notwendig, die u.a. durch die Einführung einer einheitlichen Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) erreicht werden soll. Dabei ist nicht nur die riesige Menge an umzurüstendem Rollmaterial (rd. 460.000 Wagons und 17.000 Loks) eine Herausforderung, sondern auch die dafür notwendige IT-Umgebung.
Mit einer digitalen Kupplung könnte nämlich alles mit allem interagieren und es gibt eine enorm hohe Zahl an IT-Migrationsmöglichkeiten. Die Software muss aber fertig sein, bevor mit der Migration der Hardware gestartet werden kann. Dazu hat sich das European DAC Delivery Program (EDDP) von Europe’s Rail eine DAC Migration Roadmap mit entsprechenden Vorbedingungen überlegt, die erfüllt sein müssen, bevor der Rollout gestartet wird. Dieser soll 2026 beginnen und über 6 Jahre laufen. Ein sehr ambitioniertes Ziel, aber der Co-Programm-Manager des EDDPs gab sich zuversichtlich, dass es mit entsprechender Anstrengung erreicht werden kann.
5G und FRMCS: Öffentliches vs. Privates Netz & Geschäftsmodelle und Umsetzungskonzepte in Österreich
Gleich zwei Präsentationen drehten sich um das zukunftsträchtige Thema 5G und FRMCS. Grundsätzlich ist der Ansatz, die Vorteile von 5G in den Bahnbereich hineinzutragen, während ein besonderer Fokus hierbei auf die hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit der Netze liegt.
Ein essenzielles Konzept, das hierfür zum Einsatz kommen soll, ist das sogenannte Network Slicing. Dadurch können Ressourcen für besondere/kritische Anwendungen exklusiv reserviert werden und die Koexistenz von Services unterschiedlicher Priorisierung rückwirkungsfrei parallel stattfinden. Durch die Möglichkeit flexibler Architekturen kann die jeweilige Lösung auch an die Spezifika der mit Mobilfunk versorgten Strecke angepasst werden – so kann schließlich eine Unterscheidung von Haupt-Trassen und Nebenstrecken erfolgen.
Eine Abstimmung aller relevanten Stakeholder – Bahnbetreiber, Mobilfunkbetreiber und Herstellern von Mobilfunk-HW – ist für die Ausnutzung der sich natürlich ergebenden Synergien unabdingbar. Bei der ÖBB laufen schon erste Trials und eine Nutzung im laufenden Betrieb ist ab 2030 vorgesehen.
Fazit der Vorträge beim Signal+Draht-Kongress 2022
Der ETCS-Roll Out in Europa schreitet voran. Erste große Herausforderungen in einzelnen Piloten sowie im Flächenrollout zeichnen sich ab. Zum Erreichen der gesetzten Ziele ist ein gewaltiger Kraftakt notwendig, welcher nur durch gute Zusammenarbeit aller beteiligten Parteien bewältigbar erscheint.
Die team ist bei allen zeitkritischen Projekten mit hohem Innovationsgehalt in diesem Themenbereich der ideale Partner. Als herstellerunabhängiges Beratungsunternehmen unterstützt die team ihre Kunden direkt an der Schnittstelle zu Anlagen- und Systemlieferanten. Die „richtige“ Lösung für den jeweiligen Anwendungsfall benötigt ein hohes Maß an Fachkompetenz und professioneller Methodik. teamExperten setzen dabei auf langjährige Erfahrungen aus verschiedensten kritischen Infrastrukturen.